Ich hab grad den originalen Scarface-Film von 1932 gesehen und dabei ist mir fast die Kinnlade runtergeklappt!
Der Scarface mit Al Pacino von 83 ist ja ein Remake dieses Films, der an die Lebensgeschichte von Al Capone angelehnt ist, wie mancher sicher weiss.
Aber was mich echt verblüfft hat, ist wie sehr de Palmas Neuverfilmung die Handlung kopiert.
Schon allein die Story mit der Schwester und Tonys bestem Freund, 1:1 übernommen! Oder das mit Lovo bzw. Lopez, also die Falle mit dem Anruf, durch den Tony erkennt, dass sein ehemaliger Boss hinter dem Attentat auf ihn steckt, alles identisch. Nur die ganze Kokainstory taucht im alten Film nicht auf, da gehts um Alkohollieferungen in der Prohibitionszeit. Sonst ist aber alles gleich, der Handlungsbogen und auch die wirklich guten Storytwists im neuen Film sind kopiert. Statt des feindlichen Drogenbosses wird Tony hier halt von der Polizei erledigt, aber das ist eigentlich unwichtig für die Handlung als solche. Ausserdem muss ich ehrlich sagen, dass ich diese Schlusszene im Film von 83 immer irgendwie überflüssig fand, diese ganzen Kolumbianer, die plötzlich seine Villa stürmen und er als Rambo, der erst 20 von ihnen niedermäht, bevor sie ihn erwischen. Ein genauso spektakulärer wie unorigineller Abgang war das.
Wo im neuen Film am Schluss rumgeballert wird wie bei Rambo oder an der Front, geht der alte etwas subtiler zu Werke. Das fängt da zwar auch mit Geballer an, aber dann stellt sich Tony und winselt um Gnade, nur um dann bei einem albernen und feigen Fluchtversuch erschossen zu werden. Sicher werden viele die Lösung von de Palma vorziehen, Gemetzel auf der Leinwand ist ja grad in Mode.
Ich fand das Ende des alten Films aber trotzdem besser, denn da wird der Gangster nicht so als tragischer Held stilisiert, sondern als der charakterschwache und feige Opportunist, der er schon im ganzen Film war.
Sicher, Tony Montana wurde in der Frage im ganzen neuen Film anders charakterisiert als Tony Camonte im alten.
Im alten Film ist er eine Art smarter Glückspilz ohne Moral und Skrupel, dem bis kurz vor Schluss alles gelingt, weil er eben als Einziger bereit ist, einfach Jeden zu töten, der ihm im Weg steht. Das ist nicht heldenhaft oder intelligent (auch wenn Tony Camonte recht intelligent ist), sowas könnte jeder Hirnamputierte schaffen, wenn er nur skrupellos genug ist und genau das will der alte Film auch aussagen.
Im neuen Film dagegen scheint er ja schon irgendwie aus schweren Verhältnissen zu kommen und wirkt auch recht gewitzt. Und auch wenn er kein Mass kennt und immer nur noch mehr will ("The world is yours." - Den Satz gibts übrigens auch im alten Film und dort als Cook-Werbe-Tafel.), hat man doch immer den Eindruck, dass dieser Tony mehr Cochones hat als seine Widersacher. Das ist ok, aber der alte Film spiegelt denk ich die Charakterlosigkeit von Schwerkriminellen eher wider als der neue, der manchmal fast zu einer Art Heldenepos mutiert.
Auch find ich den skrupellosen, aber humorvollen Tony im alten Scarface besser als Al Pacino im neuen. Pacinos Leistung ist sehr gut, keine Frage, aber dadurch, dass de Palma ihn als schmierigen Kleinganoven stilisiert, dem der Erfolg zu Kopf steigt und der ständig mit Flüchen um sich wirft, wirkt er auf mich eher weniger bedrohlich als der manchmal schon leicht irrsinnig wirkende Tony Camonte. Der beeindruckt mich in seiner gelackten und sorglosen Art irgendwie mehr als so ein stets auf Krawall gebürsteter aufgeblasener Schläger aus dem Ghetto.
Nachdem ich den alten Scarface nun gesehen habe, kann ich jedenfalls nicht anders als de Palmas Neuverfilmung in meiner persönlichen Bewertung um einiges herunterzustufen, der Film ist weder originell noch ein Meilenstein der Filmgeschichte (das dachte ich vorher), sondern tatsächlich bloss wieder ein weiteres Remake!
Und da mich das so verblüfft, dacht ich, ich mach hier mal nen Thread auf dazu, um euch auch mal auf diesen grossartiggen Film von 1932 hinzuweisen.