Nach zwei Folgen Better Call Saul war ich noch nicht überzeugt. Es fühlte sich einfach komisch an, da stimme ich mit Amschti überein. Ich hatte das Gefühl, als wollten die Macher auf Teufel komm raus ein zweites Breaking Bad kreieren. Diverse Kritiken sprachen vom "Gestank der Verzweiflung", der diesem so auf Erfolg getrimmten Format anhaftet und ein Kritiker nannte es sogar das verheerende "Boardwalk Empire-Syndrom", eine Serie, die von vornherein durch die großen Namen auf und hinter der Leinwand viel zu viele Vorschusslorbeeren erhalten hat und im Endeffekt trotz seiner rein formalen Qualität an schwerer Inhaltsleere leidet. Befürchtungen und Ersteindrücke, sowie noch immer ambivalente Gefühle zum Verlauf und Finale der abschließenden Staffel von Breaking Bad vermischten sich auf diese Art zu einem leicht bitteren Cocktail mit unangenehmem Nachgeschmack.
Jimmy McGill ist kein Walter White und Bob Odenkirk nicht Bryan Cranston. Obwohl mir bewusst ist, dass diese im Raum stehenden Vergleiche viel eher zum Fallstrick für BCS werden könnten, wollte es mir einfach nicht gelingen die Erinnerung an BB beim Schauen von BCS ins Hinterstübchen zu verbannen. In Jimmy sah ich nur eine noch erbärmlichere und schlechter gespielte Version von Walter White; im Verlauf der ersten beiden Folgen nur eine unnötig mit Reminiszenzen an BB gespickte, unplausibel aufgeblasene Plot-Raubkopie, um einen künstlichen Aufhänger zu schaffen, der gleichsam als Antriebsmotor wie Entschuldigung für den fehlenden inneren Handlungsimpuls McGill's dient. Ich konnte es nicht begreifen, was mir bei Walter von vornherein klar war: Was bewegt diesen Mann? Wieso verhält er sich so, wie er sich verhält?
Kurz: Ich war sehr erpicht darauf, Schwächen zu finden, das Gute habe ich größtenteils ausgeblendet.
Das BB-"Feeling" war zweifelsohne immer wieder zwischendurch zu spüren, aber darauf lege ich eigentlich überhaupt keinen Wert. Denn sie spielt ja nur im BB-Universum, als Serie soll sie jedoch eigenständig funktionieren. Wenn sie also stets nur darum bemüht ist, die besten Momente BB's in Erinnerung zu rufen und als sein Trittbrettfahrer nur Guilty Pleasure des Fandoms und eine leidliche Einnahmequelle für AMC ist, befinden sich Gilligan und Gould auf dem ganz falschen Dampfer.
Als großer BB-Fan befand ich mich daher in einer ziemlich prekären Lage. Ich hatte das Gefühl, alleine der Vollständigkeit halber, der Ehre also, BCS schauen zu müssen, selbst wenn es für mich aufgrund eines niedrigen Selbstanspruchs der Beteiligten zur Qual werden sollte.
Doch vergessen sollte auch nicht werden, dass nur wenige Serien von Anfang an hellauf begeistern können und es wäre auch ein zu großer Zufall gewesen, wenn der Pilot von BCS ein ebensolcher Glücksgriff wie der BB's gewesen wäre. Ich bin mir sicher, die wirklich guten Serien der letzten Dekade sind nicht das Ergebnis einer einwandfreien Konzeption, sondern eines kreativen Zusammenpralls von Leidenschaft und (kreativen) Widerständen. Kernfusion im Writer's Room, wenn man so will. Für BCS stellen sich nicht nur die überhöhten Erwartungen und der Hype als kreative Bremse heraus, sondern auch die Motivation Gilligan's und Gould's selbst, die der Welle des Erfolgs bei ihrem letzten Aufbäumen schließlich doch nicht ausweichen konnten. Und Erfolg korrumpiert, ganz klar.
Jedoch... Heute lief Folge 3!
Und das Gefühl, dass ich in beiden vorherigen Folgen als schmerzliche Nostalgie wahrnahm, transformierte sich nun in ein zwar ebenso vertrautes, aber ungleich angenehmeres Gefühl: Das Gefühl, eine Spur zum Wesen McGill's und BCS's entdeckt zu haben, der ich folgen kann. Noch halte ich jeden Jubel für verfrüht, aber nach dieser Folge blicke ich vorsichtig optimistisch und in zarter Erwartung auf die kommenden Episoden. Denn aus der Konstellation Jimmy-Nacho-Kettleman's ergibt sich eine interessante Dynamik und verschiedene Wege eröffnen sich allen Handelnden. Es wird ebenfalls interessant sein, zu beobachten, ob es sich bei dieser Verwicklung um den "Prolog" zur wesentlichen Hauptgeschichte handelt, ob BCS in Serial-Manier staffelumfassende und in sich abgeschlossene Einzelfälle behandelt, oder ob tatsächlich ein Ariadne-Faden durch die Geschehnisse bis zu Goodman's ungewissem Schicksal in Omaha führt. Denn dadurch, dass uns Saul's Geschichte im wesentlichen bereits vertraut ist (interessant wäre es, zu erfahren, wie die Serie von Leuten aufgenommen wird, die BB nicht kennen), fehlt es ihr am Faktor der Ungewissheit. Auch kommt mir Jimmy bereits von Anfang an wie ein verschlagenes Großmaul und Weichei vor, dass lediglich nicht so selbstbewusst auftritt.
So möchte ich nach 3 von 10 Folgen, trotz leichter Voreingenommenheit, die mein Urteilsvermögen trüben könnte, behutsam darauf hinweisen, dass Better Call Saul zwar von niemandem einen leichten Einstand zu erwarten hatte, aber trotzdem den für Breaking Bad üblichen Sog ausübt. Das Flair ist wieder so eine Mischung aus Pulp, Comic Noir und Realsatire und gleichwohl sie einen leichtfüßigeren Touch hat (den sie sich hoffentlich bewahrt; 70% Comedy, 30% Drama, dafür plädiere ich!), lassen sicher auch die Gewaltspitzen nicht lange auf sich warten.
Ick freu mir!
Better Call Saul 1x04 Sneak Peek: