Für mich ist "Boss" die beste Serienpremiere dieses Jahr. Vollkommen unaufgeregt, leise und subtil präsentiert sich hier ein Politdrama mit melancholischen Untertönen. Aber nicht nur Politik, sondern vor allem die Menschen die Politik machen stehen hier im Vordergrund. Inszenatorisch auf hohem Niveau (wem Gus van Sant ein Begriff ist, kann sich vorstellen, was einen hier erwartet), musikalisch und schauspielerisch großartig.
Ich bin zwar nicht ganz unbefangen, ist für mich Kelsey Grammer doch bereits seit "Frasier" ein Kult-Schauspieler, aber der Pilot im Gesamten war einfach ein elitärer Augenschmaus, der all denen gefallen wird, die's gerne ruhig und kompliziert mögen.
Ein Artikel zog den Vergleich zu Breaking Bad heran, ein Vergleich, der in mehrfacher Hinsicht der Serie unrecht tut. Boss ist ziemlich knochentrocken, der einzige Humor, der hier zu erkennen ist, ist verbitterter Zynismus oder subtile Fiesheiten, und auch die Inszenierung unterscheidet sich stark von BB.
Erzeugt Breaking Bad eine optische Distanz zu den Charakteren, hält in Boss die Kamera voll drauf und versucht ihre tiefsten Emotionen in (sehr sehr nahen) Nahaufnahmen und Zeitlupensequenzen wiederzugeben. Ein Stilmittel das häufiger von van Sant benutzt wird und dazu auch noch ästhetisch wirksam eingesetzt wird.
Im Großen und Ganzen eine absolute Sehempfehlung und ein Anwärter auf die Serie des Jahres. Es macht mir ein bisschen Sorge, wie sie bei den Zuschauern ankommt, weil man es doch meist gewohnt ist, von Folge zu Folge, Höhepunkt zu Höhepunkt gejagt zu werden, bis dann am Staffelfinale ein orgastisches Tohubawohu lostritt. Es würde mir gefallen, einfach, weil man es selten sieht, wenn Boss da eine andere Schiene fährt. Die erste Folge schlägt den richtigen Pfad ein. Ruhig, fast schon monoton, grau und auf unheimlich deprimierende Art und Weise authentisch.
Chapeau!
Ich weiß nicht, ob mein Leben nutzlos und bloß ein Mißverständnis war oder ob es einen Sinn hat.
- Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel