---PART 2---
Dürfen wir, bei aller Berücksichtigung der Schwere der Schuld, die Walter auf sich geladen hat, noch an die Wahrheit seiner Erkenntnis glauben und an die Aufrichtigkeit seines Wunsches, der Kriminalität den Rücken zuzukehren, muss hier ganz entschieden festgehalten werden, dass seine Methode, dies zu bewerkstelligen, definitiv die falsche ist und somit nicht dazu dient, dieser Spirale der Sinnlosigkeit und sinnlosen Verbrechen zu entkommen, sondern, ganz im Gegenteil, ihn sogar noch tiefer reinreitet, in sogar noch ganz andere Dimensionen reinzieht. Wie es Walters Problem nun mal ist, möchte er das Richtige tun und geht es doch falsch an. Sein Bestreben ist keinesfalls aufrichtig, er möchte nicht büssen, um wieder seinen Frieden zu haben, er möchte sich seinen Frieden ergaunern, so wie er sich sein Geld ergaunert hat. Nie und nimmer möchte er die Konsequenzen für seine Taten tragen und dafür ein sauberes Gewissen erhalten, er möchte seine Schandtaten vertuschen und sich so selbst belügen, um des äusseren Scheins willen. Davon zeugt ein weiteres wiederkehrendes Element in dieser Folge, das Bild mit der Familie am Ufer, während der Matrose zur See fährt. Walter ist so geschickt darin, sich selbst zu belügen, es fällt ihm nichtmal auf. Er sieht das Bild, er erkennt es und er zieht seinen Trugschluss. War ihm beim ersten Auftauchen des Bildes so, als sei er dieser Matrose, der seine Familie zurücklassen muss, um Seeschlachten zu bestreiten, dünkt ihm nun, es sei seine Wiederkehr (die des Matrosen) von der See, der nach nun getanen Pflichten wieder seine Familie wiedersehen kann. Womöglich wird ihm beim Anblick sogar ein wenig rührselig zumute, da er doch die Schrecken der See glaubt endlich hinter sich gelassen zu haben und im Arm der liebenden Familie glücklich zu werden. Doch weit gefehlt, und das entzieht sich der Kurzsicht Walters; das Bild ist verrottet, von der Fernweh des unbeschadeten Pendants zeugt dieses kein Stück. Es wird klar, dass der Preis für sein Handeln in dem Schaden liegt, den er sich selbst zugefügt hat. So mag die Familie und das Landleben nun sehnsüchtig auf ihn warten, aber die See hat ihn verdorben und seine gesamte Wahrnehmung. Der Matrose ist traumatisiert, der Krieg wird ihn nicht loslassen. Doch auch das Schnipsen eines Neonazis kann Walter nicht zurück in die Realität holen, in seiner Vorstellung entspricht sein Vorgehen dieser triumphalen Heimkehr, nach der er sich sehnt.
Doch Walter ist nicht der einzige, der in vergangenen Wünschen schwelgt. Man könnte sogar sagen, dass diese Folge ganz im Zeichen des Vergangenen, des Unwiederbringbaren steht, nach dem sich jeder heimlich sehnt. So wünscht sich auch Hank diese Zeit zurück, in der für ihn alles einfacher war und das Geld fürs Bier seine einzige Sorge. Jesse träumt noch von den seligen Zeiten im RV und Saul wünscht sich wohl, Walter wäre ihm nie begegnet. Skyler möchte ihre Familie um alles in der Welt zurück, und ist dafür sogar bereit, Walters Verbrechen zu vergessen. Sie spielt ihm damit direkt in die Hände, der ihn doch eine ähnlich unlautere Motivation antreibt. Das Kochen bringt ihm nunmehr keine so rechte Befriedigung mehr, es ist das Zuhause, dass er vermisst. Umso leichter fällt ihm der von langer Hand geplante Ausstieg, als Skyler ihm das Geld zeigt, dass er in so kurzer Zeit angehäuft hat. Ist ihm doch schon wieder diese Schlaflosigkeit angefallen, unter der er vor seiner Diagnose litt, eine Weltmüdigkeit, die ihn so recht verständnislos auf ehemalige Ausbrüche seines Zorns im Krankenhaus blicken lässt. In seiner ehrlichen Sehnsucht und seinen verlogenen Handlungsweisen betrügt er nicht nur sein Gewissen, sondern auch das aller anderen, die mit ihm zu tun haben. So ist die Tasche mit den 5 Millionen $, die er Jesse gibt, alles andere als finanzielle Freiheit, die er ihm in seiner selbstgerechten Gönnerhaftigkeit überlässt, sondern nicht weniger als Blutgeld, schwere Schuld, die er ihm auflastet, um sich selbst zu entlasten.
So befreit von allem oberflächlichen Dreck, fällt es ihm mehr als leicht, vor Skyler den treuhündigen Ehemann raushängen zu lassen, der sich mal eben entschuldigt, dass er das gemeinsame Abendessen verpasst hat. Und Skyler hängt so verzweifelt ihrer eigenen Sehnsucht an, dass sie ihm glaubt, weil sie ihm glauben möchte; obwohl sie es besser wissen sollte. Denn es ist nicht so, dass Walter bereut. Vielmehr, und das sicherlich zu gleichen Teilen unbewusst wie bewusst, erkennt er, dass er nicht viel mehr in der Welt der Kriminalität erreichen kann, nicht tiefer sinken kann und nun der Zeitpunkt gekommen ist, zu seiner Familie zurückzukehren. Der Seekrieg ist vorbei, die Wellen haben sich geglättet, es wird Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich auf das zu besinnen, was dem Menschen doch von Natur aus das Wichtigste ist: Die Familie.
Ein erlogener Friede, eine erheuchelte Idylle, die Walter sich da ersehnt, wo doch nichts so werden kann, wie es zuvor war, wo doch sein Haus selbst noch Spuren der Schuld an sich trägt, so oft er sich selber auch in Unschuld 'duschen' möge.
Und es ist weit mehr, als nur das Buch von Walt Whitman, dass an seine Schuld erinnert. Es ist alles, was irgendwie mit ihm und seinen Taten zusammenhängt, sei es das Teddy-Auge, das Ricin in der Steckdose, die Autos vor der Garage, die Uhr, und und und.
Hier ist die große Rafinesse in der letzten Szene zu entdecken, der dramaturgische Kunstgriff, den sich die Drehbuchautoren haben einfallen lassen. Die saubere Flucht ist Walt geglückt. Wäre sein Weltbild stimmig und wahrhaftig, so müsste man sagen, er wäre am Tiefpunkt angelangt und befände sich gerade auf dem Weg den Berg hinauf. Da wäre es schon raffiniert, dass ausgerechnet in diesem Moment, ausgerechnet in diesem Ambiente und ausgerechnet Hank entdeckt, wer Heisenberg wirklich ist. Denn Walter hat an alles gedacht, hat jede Spur der anderen verwischt, die ihn hätten verraten können, ohne zu ahnen, dass es in der trügerischen, erkauften Sicherheit seines eigenen Heimes, seine eigenen Fußspuren sind, die ihn verraten. Hinzu kommt aber, dass sich Walter lediglich im Frieden wähnt, sowohl in Bezug auf die Vergangenheit, als auch auf die Zukunft, sei da der Krebs wieder ausgebrochen oder nicht.
Es ist allerdings ganz und gar nicht so, dass Walter auf dem Wege der Besserung ist und ihn die Konsequenzen einholen. Ganz im Gegenteil, seine Verbrechen haben eine neue, selbstzerstörerische Tiefe durch ihre Selbstverleugnung erreicht, währenddessen die Konsequenzen anfangen, ihn einzuholen. Und es werden die Konsequenzen sein, die Walter von Neuem dazu bringen werden, sich noch tiefer und tiefer reinzuvertiefen in diese Spirale.
Doch das Sahnehäubchen auf alledem, ist die familäre Verstrickung zwischen Walter und Hank, die das wahre Potential der kommenden, letzten 8 Folgen ausmacht. Oh, ich möchte gar nicht anfangen zu spekulieren, sonst würde ich nie zu einem Schluss kommen.
Die Zusammensetzung aber macht es unmöglich, dass die Familie nicht auseinanderbricht, ob Heisenberg nun seiner 'gerechten' Strafe zugeführt wird, oder nicht. Und das wird das finale Element sein (endlich!), dass Walter und die Serie ihrem wohlverdienten Ende entgegenführt. Walter, der nun nach 4 1/2 Staffeln, in denen er glaubte, seiner Familie zu dienen, endlich wieder eine Vereinigung mit ihr erfährt, ist selbst das Element, dass sie auseinanderbrechen lassen wird. Oh, herrliche Tragik, oh göttliche Komik!