Hat das Tempo bei Breaking Bad mit der Zeit nachgelassen? Mmh, die Frage lässt sich gleich aus der Welt schaffen.
Jein. Am Anfang gab es einfach noch nicht so viel Probleme, Walter hat sich erst mit der Zeit immer tiefer reingeritten. Logischerweise, und um keinen Aspekt sträflich zu vernachlässigen, widmet sich Breaking Bad aller Nebenbereiche, um ein mehr oder weniges authentisches Gesamtbild zu erschaffen, was leider ein bisschen zulasten der Action fällt. Aber als ich mit Breaking Bad angefangen habe, war mir von vornherein klar, dass es nicht die Action ist, die die Serie definiert. Nein, ich wehre mich dagegen BB auch nur im Ansatz Langeweile anzukreiden, oder das absichtliche Strecken und Hinauszögern.
Hab mir die Folge eben nochmal angesehen und die Details sind wieder verblüffend und in diesem Fall auch superkomisch. Zum Beispiel Tyrus, der im Altenheim auf dem Weg zu Hector noch einer Bewohnerin super-freundlich zulächelt. Oder Hector, der Hank im Fahrstuhl noch zuzwinkert, als wäre dieser Witz sein Abschiedsgeschenk gewesen. etc.
Gus hat in dieser Episode wieder eine Wendung in der Gunst der Zuschauer vollzogen. Mal halten wir ihn für böse, dann für gut, dann ist er wieder undurchschaubar, man weiß einfach nie, was man von ihm halten soll. Ich habe das Gefühl, diese Folge zeigt nochmal sein wahres Gesicht, möglicherweise ehrlicher und wahrhaftiger als die Szenen seiner Vergangenheit, die Folterstunden bei Hector oder die Morde der Kartellcapos. In dieser langen Aufnahme von ihm in Auto sieht man nicht nur einen kalten, brutalen und berechnenden Mann, sondern ich erkenne auch Schmerz, eine leise Melancholie in dem Mann, der nicht nur andere verletzt hat, sondern selber auch nicht von Gewalt, und sei sie schicksalshafte Gewalt, verschont wurde.
In dieser und in vorigen Episoden wurden dabei immer wieder Ähnlichkeiten in der Inszenierung und des Verhaltens von Gus zu Walter offenbar. Wir erkennen das zum Beispiel in der Szene im Labor, die der Tötungsszene in der ersten Folge sehr nahe kommt. Walt, der die Waffe auf den Boden fallen lässt, wie Gus den Cutter. Walter ist nicht nur Heisenberg, er ist auch wie Gus. Das ist auch einer der Gründe, wieso man sich intensiv mit Gus Vergangenheit auseinandergesetzt hat, selbst wenn man uns nicht alles verraten hat. Denn BB würde seinen eigenen Prinzipien widersprechen, wenn Gus als über allem stehender Superschurke portraitiert worden wäre, ohne Beweggründe, ohne Vergangenheit, ohne Schwächen. Gus ist wie Walter ein Mann, der Entscheidungen getroffen hat und die Konsequenzen dieser Entscheidungen zu tragen hat. Weil wir so wenig über ihn wissen, kommt er uns so kalt vor, aber wirkt Walter auf Außenstehende nicht mittlerweile genauso?
Und diese Stelle, an der Gus HEctor ansieht und Hector endlich Gus ansieht... Für Gus ist es wie ein Triumph, einen, den er selbst nicht ganz fassen kann. Hector, dieser unbeugsame Mann, der sich selbst in seinem Alter und seinem Zustand noch jeglichen Angst- oder Reuegefühlen verweigert, übersteht die hartnäckige, zermürbende Psychofolter Gus', nur um ihm am Ende endlich in Gesicht zu schauen, wie Gus glaubt, weil er ihn endlich wahrnimmt, weil er endlich aufgibt, weil er gebrochen ist. Wir aber wissen, dass es kein Triumph für Gus ist, sondern für Hector, der sich wiederum an seinen Folterknecht rächen kann und damit gleichwohl die Sympathie und Genugtuung der Zuschauer für sich in Anspruch zu nehmen weiß. So ist Schwarz nie Schwarz und Weiß nie Weiß, sondern alles eine undefinierbare graue Masse aus Zwischentönen, die uns nicht akzeptieren und nicht verteufeln lassen.
Ich kann nicht aufhören, die Stelle immer und immer wieder zu sehen... Es ist ein Drama und es ist umso melancholischer, dass ich mir der schlimmen Dinge bewusst bin, die die Akteure begangen haben, und dennoch Mitleid empfinde.