Toller Beitrag, CowVirus.
Allerdings seh ich das völlig anders.
Und zwar glaub ich wie Neverman, dass du es dir zu leicht machst.
Auch wenn er als Mensch schwach und egoistisch war, schien er das Herz am rechten Fleck zu haben und handelte auch nie so eiskalt und berechnend wie Walther
Das Herz am rechten Fleck? Walt berechnend? Walt liebt seine Familie, nach wie vor. All seine Lügen und Täuschungsmanöver dienten dem Zweck, sie nicht zu verlieren. Und die jetzige Distanz zu Sky und Walter Jr. nimmt er nur deshalb in Kauf, weil er Pollos Spruch "A man provides for his family, ... even if he isnt loved." wörtlich nimmt.
Generell hat er diese ganze Drogenkocherei im Gegensatz zu Jesse nicht angefangen, weil er zu faul und dumm für ehrliche Arbeit war, sondern aus noblen Motiven (und dank des US-Gesundheitssystems, das seine Angehörigen nach seinem Tod zu ewigen Sklaven der entstandenen Schulden gemacht oder sie zumindest völlig verarmt zurückgelassen hätte). Das war auch keine Ausrede gegenüber Sky, dass er Walt Jr. sein College finanzieren wollte, das meinte er so. All das wirkt auf mich ziemlich nobel.
Sicher ist Walt eitel, aber wer ist das nicht? Und wenn man so leicht so viel Geld machen kann, kann man schon mal gierig werden, auch das ist nur menschlich. Das einzige, wobei ich dir am Ende Recht gebe, ist, dass Walt das Angebot Pollos über die 3 Millionen nicht hätte annehmen dürfen. Er hat sich zwar gewehrt, aber als er dieses Geheimlabor gesehen hat, ist er schwach geworden. Das war ein Fehler und da sowie in vielen seiner Äußerungen (our territory, I'm in, you're out, the chemistry must be respected...) zeigt sich, dass Walt charakterlich durch die Ereignisse nicht unbedingt zum Positiven verändert wird. Aber vielleicht ist vieles an dieser Veränderung weniger dem Drogengeschäft geschuldet als vielmehr eine Reaktion auf den ständig über ihm schwebenden drohenden Krebstod. Sowas kann Menschen sicher auch verändern und ihre Hemmschwellen herabsenken.
All das ändert aber nix dran, dass Walt weiter einer der Sympathieträger der Serie bleibt und Jesse inzwischen eher zum arschig-lästigen Sidekick mutiert ist.
Zur Frage, wer Schuld an Jesses Misere hat:
Am Tod seiner Freundin haben nur sie selbst und er Schuld, er hat nicht verhindert, dass sie mitkokst, Walt hat damit nicht das Geringste zu tun.
Sicher wurde Combo umgebracht, weil Walt Drogen in fremden Revieren verkaufen wollte. Aber das sind alles keine Kinder mehr und Jesses Kumpels wussten am Ende deutlich besser über die Gefahren und die Territorien der Gangs in der Umgebung Bescheid als Walt. Sprich, für mich ist das eher ein Fall von dumm gelaufen beziehungsweise selber Schuld.
Dumm gelaufen, weil diese Kleinkriminellen offensichtlich nicht die nötige "street-cred" hatten, um gefahrlos so gutes Meth zu verkaufen. Selber schuld, weil diese zugekoksten Hirnies selbst drauf hätten kommen können, dass sie sich mit der Sache in Gefahr begeben, viel eher noch als Walt, der brave Vorstattbürger ohne Kontakte in die Szene.
Außerdem will ich mal dran erinnern, dass Jesse schon vor seiner Geschäftsbeziehung zu Walt Meth gekocht hat. Der Junge hatte schon vorher alles getan, um sein Leben zu versaun und sein Verhalten seinen Eltern gegenüber (Erpressung mit dem Meth-Labor im Keller, um ihnen das Haus unter Wert abzukaufen), sein Selbstmitleid, sein übersteigertes und nicht zu seinen Fähigkeiten und Leistungen passendes Ego (will damit aber nicht sagen, dass ein übersteigertes Ego durch irgendwas zu rechtfertigen wäre, auch nicht durch einen Nobelpreis oder sonst was
) , seine sich in solchen Aktionen wie dem Verjubeln des Geldes für das Wohnmobil in einem Stripclub zeigende Maßlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber allem usw., all das zeigt, dass er eben kein netter Kerl war. An was machst du denn sonst einen schlechten Menschen fest, wenn nicht an solchen Charakterschwächen? Jeder liebt irgendwen und will geliebt werden, handelt bestimmten Menschen gegenüber also weniger selbstsüchtig als bei anderen. Das ist kein besonderes Qualitätsmerkmal. Und selbst bei Menschen, die er liebt, versagt Jesse völlig (siehe Freundin). Walt ist da doch etwas sympathischer, find ich zumindest.
Jesse ist ein Loser und er erkennt es nicht mal, stattdessen tut er so, als ob er jederzeit was ganz Großartiges leisten kann. Und seinen viel zu langen Monolog im Krankenhaus nehm ich nicht ansatzweise ernst, das ist für mich ein Paradebeispiel für Selbstgerechtigkeit, verletzte Eitelkeit, Verdrängung von Schuld und mutwillige, bequeme Schuldzuweisungen an andere. Der Typ ist mit der Ansprache bei mir endgültig unten durch, sorry.
Was aber nicht heißt, dass er nicht nach wie vor ein amüsanter Bestandteil der Serie sein kann, wie man in E08 sieht.